Donnerstag, 19. November 2009

Die Entdeckung der Langsamkeit.

Sie wissen nicht, worüber Sie in der Pause einer Veranstaltung mit Ihrem Nachbarn reden sollen? Das Thema Deutsche Telekom erscheint Ihnen ebenso zu abgenutzt wie das Wetter oder die aktuelle Verkehrslage auf deutschen Autobahnen auf den wenigen baustellenfreien Kilometern?

Wie wäre es mit dem Thema Behörden. Ganz nebenbei bekommen Sie vielleicht sogar noch Ratschläge für den erfolgreichen Umgang mit diesen wenig beliebten deutschen Einrichtungen. Und wenn Sie einen ausländischen Kollegen an Ihrer Seite haben gibt es gratis eine Zugabe in interkultureller Vielfalt.

Egal wohin man hört – viele klagen über die Arbeitsmoral in Behörden, über unendlich lange Bearbeitungszeiten, berichten von herablassenden, unfreundlichen, von unmotivierten und selbst von unfähigen Mitarbeitern, von Fehlern bei der Bearbeitung.

Zugegeben, die Bezahlung mag nicht die beste sein, Anreize für mehr Leistung scheint es nicht zu geben. Die Arbeitsbedingungen, die Ausstattung des Arbeitsplatzes sind auch nicht immer vorbildlich. Manche Behörde atmet immer noch den Muff der 60er Jahre. Nicht jedes Büro verbreitet den Designer-Chic, wie wir ihn aus den Büros der Fernseh-Staatsanwälte kennen.

Man darf also Mitleid haben. Aber Verständnis aufbringen? Das ginge eindeutig zu weit. Es gibt scheinbare Vorteile, in einer Behörde zu arbeiten: selbst bei wiederholten Fehlern, ineffizienter und ineffektiver Arbeitsweise droht nicht sofort eine Abmahnung. Da braucht es schon den berühmten silbernen Löffel. Die Sicherheit des Arbeitsplatzes ist weit höher als „draußen“ in der harten Welt der Betriebe und Unternehmen. So jedenfalls der Eindruck der Außenstehenden.

Beispiele gefällig?
Familienkasse. Hier läuft es am besten, wenn alles in normalen Bahnen verläuft. Aber wehe, es gibt außergewöhnliche Fälle. Ein Auslandsaufenthalt zum Beispiel oder die Unterbrechung der Ausbildung. Die Bearbeitungszeit kann dann leicht 2 - 3 Monate betragen, wobei in der ersten Runde eine korrekte Bearbeitung längst nicht gewährleistet ist. Wohl dem, der sich im Gestrüpp der Bestimmungen ein wenig zurecht findet und auch ansonsten nicht auf den Mund gefallen ist oder nicht so schnell zum Beigeben neigt.

Bafög-Ämter. Ein Beispiel unter vielen. Acht Monate Bearbeitungszeit sind keine Seltenheit. Nochmals in Worten: acht Monate. Das Amt ist sich selbst nicht zu schade ausdrücklich darauf hinzuweisen, dass jeglicher Versuch der Kontaktaufnahme zu einer weiteren Verzögerung der Bearbeitung führen könnte. Das klingt wie eine Drohung. Anders ausgedrückt: Es wird gebeten, den Schlaf des Gerechten nicht zu stören. Wiederum sind die weniger Gebildeten und noch mehr diejenigen, die wirklich auf das Geld angewiesen sind, die Leidtragenden. Ein unsäglicher Zustand, vielfach in den teils katastrophalen Beurteilungen der meisten der Bafög-Ämter durch die Antragsteller bestätigt (vgl. z. B. SPIEGELonline 6.2.2009). Besserung in Sicht? Kaum.

Finanzämter: Bearbeitungszeit mindestens vier Monate, bei Krankheit des Mitarbeiters schon einmal deutlich länger. Gut für den, der zahlen muss, schlecht für den, der Geld erwartet. Um so erstaunlicher die Mitteilung des Amtes zur Jahresmitte, die Steuererklärung binnen einer bestimmten, natürlich kurzen Frist einzureichen. Die „derzeitige“ Arbeitssituation lasse anderes nicht zu. Die Interpretation bleibe jedem selbst überlassen.

Sicher, wir kennen viele Fälle aus der Wirtschaft, in denen es hakt. Nur ist man dort Kunde und nicht Antragsteller. Und wo der Kunde noch mit Untreue drohen kann, bewegt sich doch manchmal etwas. Konkurrenz belebt bekanntermaßen das Geschäft. Nur dumm, dass sich Behörden in einer Monopolsituation befinden und auch so handeln.

Liebe Behördenmitarbeiter. Schaut Euch um. Lasst Euren ohnehin schlechten Ruf nicht noch weiter durch der Arbeit abgeneigte und/oder unfähige Kollegen schädigen. Es gibt auch gute Beispiele kundenorientiert arbeitender Behörden mit hilfsbereiten und freundlichen Mitarbeitern, mit bemerkenswerten Öffnungszeiten. Hier hat sich der Dienstleistungsgedanke schon eine Basis geschaffen. Weiter so. Überzeugen Sie Ihre Kollegen, wie schön es ist, am letzten Arbeitstag der Woche mit einem Lächeln und dem Gedanken an die rechtzeitig erledigte Arbeit und an zahlreiche zufrieden gestellte Antragsteller, nein: Kunden, in ein wohlverdientes Wochenende zu gehen.

Verehrte Vorgesetzte. Vergrabt Euch nicht hinter Euren verstaubten Schreibtischen mit hoch gestapelten Vorgängen der letzten Wochen. Geht hinaus. Regt Eure Mitarbeiter an zügig und konzentriert zu arbeiten. Vermittelt ihnen, dass es letzten Endes der Antragsteller ist, der mit seinen Steuergeldern das Gehalt bezahlt.

Bis sich etwas ändert müssen wir uns wohl weiter in Geduld fassen. Von den Bürgern südeuropäischer Staaten könnten wir viel lernen. Stellt sich nur die Frage, ob wir das wirklich wollen.

Mittwoch, 18. November 2009

Mehr Transparenz gleich mehr Übersicht?

„Mehr Überblick bei Ihrem Girokonto“, so heißt es im Betreff eines Schreibens der Postbank an ihre Kunden. Die neue EU-Zahlungsdiensterichtlinie solle für Bankkunden mehr Transparenz und ausführlichere Informationen bringen. Man habe diese Richtlinie nunmehr umgesetzt.

Damit daran kein Zweifel aufkommen kann, legt die Bank sogleich eine 104seitige Informationsschrift bei.

Bedingungen sind erforderlich, zweifelsohne. Klarheit ist im Geschäftsverkehr unumgänglich. Aber wird hier der Regelungswut nicht einmal mehr über alle Maßen gefrönt?

Kann man von mehr Transparenz sprechen? Kann man erwarten, dass ein Kunde sich durch das umfangreiche Regelungswerk liest? Kann man davon ausgehen, dass der durchschnittlich gebildete Bürger das in allen seinen Konsequenzen überhaupt durchschaut? Zweifel sind angebracht.

Dass die Informationen nun „noch informativer und übersichtlicher“ sind, das macht die Postbank auf der Rückseite Ihres Schreibens sogleich überdeutlich. Dort findet sich der neue Finanzstatus – dermaßen kleingedruckt, dass selbst mit einer Lupe kaum etwas auszumachen ist. Von Transparenz gesprochen.

Liebe Postbank. Ich bin froh, nicht Kunde bei Ihnen zu sein. Meine Banken haben das viel einfacher und übersichtlicher gelöst. Und die Informationen und die Transparenz waren schon vorher vorhanden.