Freitag, 23. Oktober 2009

Führungskompetenz: Wenn besser der Chef am Seminar teilgenommen hätte

Es sollte ein Seminar werden wie alle anderen auch. Nach der üblichen Runde, in der sich die Teilnehmer vorstellen und ihre Erwartungen formulieren (wenn sie sich denn im Vorfeld überhaupt Gedanken gemacht haben), der Seminarleiter seine Vorstellungen mit denen der Teilnehmer soweit möglich in Übereinstimmung gebracht hat, ging es an die ersten Arbeitsthemen. Eigentlich so, wie immer.

Die Runde: gestandene und erfahrene Führungskräfte der mittleren Ebene, zumeist aus mittelgroßen und größeren Betrieben stammend, aus den unterschiedlichsten Branchen. Normal eben, wenn ein Seminar für Führungskräfte wie dieses nicht im Rahmen eines größeren Projektes in einem Unternehmen durchgeführt wird.

Häufig kommt es vor, dass sich am Ende einer derartigen zwei- oder dreitägigen Veranstaltung einige Teilnehmer dahingehend äußern, dass es wohl besser gewesen wäre, wenn ihr Vorgesetzter an diesem Seminar teilgenommen hätte.

Das besondere an diesem Seminar: diese Aussage kommt bereits am ersten Vormittag. Und was noch wichtiger ist, statt Widerspruch gibt es breite Zustimmung .... und ein neues Thema.

Da haben die Teilnehmer wohl schon gewusst, wie die FAZ wenig später in ihrer Ausgabe vom 22.10.2009 titelt: „Achtzig Prozent der Mitarbeiter sind unzufrieden“ Zu den achtzig Prozent gehören auch Führungskräfte. Die Begründung? Es hapere im menschlichen Verhältnis zu den Vorgesetzten, so ist im Artikel zu lesen. Übrigens ging es um eine Umfrage unter den Mitarbeitern von EADS. Zurecht ein katastrophales Ergebnis, aber sicherlich kein überraschendes. Dass die Uhren in Frankreich anders ticken als in Deutschland, das ist bekannt. Aber die Probleme scheinen identisch zu sein.

Die Hartgesottenen werden sogleich reagieren. Von Weichspülern wird die Rede sein, dass man in schweren Zeiten eben hart durchgreifen müsse, dass man es nicht immer jedem recht machen könne. Gekuschelt würde zuhause, gearbeitet in der Firma.

Aber daran liegt es nicht. Es liegt – ganz einfach ausgedrückt – daran, dass vielen Vorgesetzten einfach die notwendige Sozialkompetenz fehlt. Irgendwann muss in ihrer Persönlichkeitsentwicklung etwas schief gelaufen sein. Vielleicht ist aber auch zu einem früheren Zeitpunkt bei der Auswahl von Führungskräften etwas schief gelaufen. Darüber wurde schon viel nicht nur an dieser Stelle geschrieben.

Zurück zum Seminar. Da saßen sie nun, die erfahrenen Führungskräfte in durchaus großer Runde. Die einen waren geschickt worden, nicht wenige davon sollten das wohl als Anerkennung ihrer Arbeit betrachten, die anderen hatten sich das Seminar selbst ausgesucht und damit zu erkennen gegeben, dass sie gewillt waren, weiter an sich zu arbeiten. Anerkennenswert, nicht nur, weil dies zu selten geschieht.

Aus der frühen Offenheit eines Teilnehmers entstand somit ein Seminar der besonderen Art, in dem die Teilnehmer noch mehr als sonst in den Seminaren üblich aus ihrem Umfeld berichteten, ihre Erfahrungen einbrachten, ihre Zurückhaltung aufgaben, sich austauschten und nun gemeinsam mit dem Seminarleiter nach Lösungen suchten.

Die geschilderten Probleme waren nicht neu, eher alltäglich und bezogen sowohl die unterstellten Mitarbeiter als auch den vorgesetzten Chef ein. Eine mittlere Führungskraft sitzt eben immer zwischen allen Stühlen und muss die Meinung des nicht immer überzeugenden Chefs an seine Mitarbeiter weitergeben. Und das auf eine möglichst überzeugende Weise. Dass dies gelingt, davon kann kaum ausgegangen werden.

Natürlich macht man es sich zu leicht, nur dem Chef den schwarzen Peter zuzuschieben. Aber eine Treppe wird von oben geputzt, und ein Vorgesetzter hat nun einmal die Aufgabe, Vorbild zu sein. Und das übersehen viele viel zu häufig. Und er ist dazu da, zuzuhören, soweit möglich Verständnis für die Nöte seiner Mitarbeiter aufzubringen. Nur so kann man auch in schwierigen Lagen motivieren. Ein Appell also an die Vorgesetzten, einmal mehr als sonst kritisch in den Spiegel zu schauen.

In einem Seminar besteht die Chance, den Teilnehmern zu verdeutlichen, was ein Mitarbeiter erwartet, worauf eine Führungskraft im Umgang mit den Mitarbeitern achten sollte. Damit ist noch lange nicht die spätere Umsetzung im Betrieb gesichert. Zu häufig wandern die Seminarunterlagen in die Schublade, werden die gewonnenen Anregungen der Alltagshektik geopfert. Schließlich gehört aber zur erfolgreichen Umsetzung auch die Unterstützung des Vorgesetzten, und hier liegt nun das Problem. Aus dieser Sicht ist ein Seminar nur dann sinnvoll, wenn es punktgenau auf die Situation eines Betriebes ausgerichtet ist und möglichst alle Führungskräfte teilnehmen. Wenn dann anschließend die Umsetzung über einen gewissen Zeitraum von einem Externen begleitet und immer wieder angestoßen wird, dann, ja dann wird die Wahrscheinlichkeit immer geringer, dass Seminare so ablaufen wie jenes.

Donnerstag, 8. Oktober 2009

Wenn weniger mehr ist.

Stellen Sie sich einmal vor, plötzlich sind Sie von der Stromversorgung abgeschnitten und der Akku Ihres Laptops ist leer. Zwar könnten Sie mit Ihrem Mobiltelefon im Internet surfen .... nur das Netz ist zu schwach. Plötzlich stehen Sie vollkommen abgenabelt von der Außenwelt vor dem Nichts. Sie fühlen unverhofft eine große Leere. Dies ist keine Utopie, nichts Unmögliches. Dies ist zwar noch nicht der Weltuntergang. Die Erde wird sich auch so weiter drehen. Aber plötzlich fühlen Sie, wie abhängig Sie inzwischen von den Möglichkeiten der Kommunikation geworden sind.

Dass Sie vielleicht einmal nicht wissen, was gerade in den Zentren der Welt passiert, das können Sie noch ertragen. Dass Sie aber in unruhigen Zeiten nicht die aktuellen Daten von den Börsenplätzen der Welt erhalten, keine Transaktionen mit Ihrer Bank abwickeln können, keine Emails senden bzw. erhalten können ... das geht schon an die Substanz. Oder möchten Sie heute noch umständlich eine Überweisung mit der Hand ausfüllen und persönlich zu Ihrer Bank bringen wollen?

Was aber wäre, wenn ....? So utopisch es sein mag, es gibt uns die Möglichkeit einmal darüber nachzudenken, ob alles das, was wir täglich nutzen, wirklich ein Gewinn für uns bedeutet.

Vieles wird durch die heutigen Möglichkeiten erleichtert, beschleunigt. Dadurch wird viel Zeit gewonnen. Aber andererseits fordern gerade diese „neuen“ Medien zusätzlich sehr viel Zeit. Nicht ausgeschlossen, dass die Produktivitätsbilanz mit roten Zahlen abschließt. Und das nicht nur, weil es gerade mal wieder ein Problem mit der Internetverbindung gibt oder Windows ein gravierendes Problem festgestellt hat und das Programm schließen musste. Datenverlust nicht ausgeschlossen.

Haben wir früher so häufig Nachrichten verfolgt, Wetterprognosen aufgerufen, in Wikipedia oder Google nach Dingen geforscht? Haben wir ständig Nachrichten über unser augenblickliches Tun ins Netz gestellt? Überhaupt: haben wir so viel Müll produziert, wie es heute geschieht? Diese Fragen stellt sich auch der Schreiber dieser Zeilen. Muss das überhaupt sein? Ehrlich gesagt: NEIN. ABER: diese Zeilen sollen auch dazu anregen, einmal kritisch Abstand vom eigenen Tun zu nehmen. Und es soll nicht heißen: zurück zum Anfang. Nein, denn das Internet bietet schneller als je zuvor Daten und Informationen, an die man früher zumindest nicht so schnell herankommen konnte.

Dennoch, die Fragen seien erlaubt. Womit beschäftigen wir uns überhaupt? Hat es irgendeinen Nutzen? Hilft es jemand? Könnten wir in der Zeit nicht Sinnvolleres erledigen? Gewähren wir den Medien möglicherweise viel zu viel Aufmerksamkeit? Sind wir nicht zu Gefangenen unserer selbst geworden?

Verschanzen wir uns hinter dem Bildschirm auf Kosten der persönlichen Kontakte? Leidet darunter die Kommunikation mit unseren Nächsten und mit unseren Mitarbeitern? Eine Beziehung per sms beenden oder eine Kündigung per Email versenden zeugt eher von einer persönlichen Schwäche und hat bestimmt nichts mit dem Streben nach besonders viel Effizienz zu tun.

Allerdings gibt die jüngste Online-Studie von ARD und ZDF auch Hoffnung. Vielleicht
handelt es sich ja doch nur um eine Minderheit, die Stunde um Stunde vor dem Bildschirm sitzt und zahllose Netzwerke pflegt, von Portal zu Portal springt, twittert und blogt, „instant“ Botschaften empfängt und versendet. Also doch zu viel Lärm um nichts? Wie auch immer: ein bisschen Abstand zu sich selbst kann niemals schaden, privat wie beruflich.

Dienstag, 6. Oktober 2009

Abstand wahren.

Allen Neidern zum Trotz: mir war es vergönnt, ganze vier Wochen Abstand vom Alltäglichen zu nehmen. Keine Nachrichten, kein Fernsehen oder Radio, keine Zeitungen, keine Emails, ja selbst keine Anrufe (abgesehen von wenigen privaten Kontakten, in denen man sich gegenseitig vergewisserte, dass alles in Ordnung ist). Nicht fern der Zivilisation, aber doch irgendwie außerhalb des alltäglichen Lebens. Viel Natur, viel Bewegung, kein Lärm, viel Zeit zum Nachdenken. Sicherlich ist in dieser Zeit weltweit viel passiert. Aber, habe ich etwas versäumt? Relativiert sich nicht manches Ereignis, verliert es nicht an Bedeutung, wenn man es mit zeitlichem Abstand betrachtet? Und mit wie wenigen Dingen man auskommen kann. Wichtig ist plötzlich nur noch das wirklich Lebensnotwendige.

Ich habe viele Menschen getroffen, die fern dieser hektischen Welt in ihrem eigenen Kosmos leben und nicht unbedingt unglücklich schienen. Zugegeben, ich könnte so längere Zeit nicht leben. Dafür bin ich zu sehr ein Stadtmensch und dem Komfort nicht abgeneigt. Deshalb ist dies auch kein Aufruf zum endgültigen Ausstieg, allenfalls ein Aufruf zu einem zeitlich begrenzten Abstandnehmen vom allzu Alltäglichen.

Wer nach dieser Zeit wieder eintaucht in diese Welt, der kann nur erstaunt sein. Wer darüber hinaus, wie ich, so unvermittelt in einer Weltmetropole „zurück“ kommt und wieder „eintaucht“, der empfindet dieses Zurückkommen sicherlich noch stärker. Der Kontrast ist zu groß. Wo soeben noch kleine Einheiten vorherrschten, wo jeder jeden kannte, jeden freundlich grüßte, da herrscht plötzlich Anonymität und hektisches Treiben vor. Wer sich unvermittelt in den U-Bahn-Schächten einer Weltstadt wiederfindet, dem können die wie ferngesteuert wirkenden Menschen, verloren in ihrer eigenen Gedankenwelt, nicht entgehen. Da bewegen sich Massen durch die Gewölbe mit geradeaus ins Leere gerichteten Blicken, in Gedanken zwischen Nirgendwo und den alltäglichen Sorgen im Beruf oder in einer privaten Beziehung. Tagein. Tagaus. Wer diese Menschen als plötzlich Außenstehender beobachtet, dem können nur Bedenken kommen.

Handeln wir zu automatisiert? Wissen wir überhaupt, was wir tun? Sind wir uns dessen bewusst, wie wir leben? Lebt nicht so mancher wie ein Hamster im Rad, der immer nur läuft und läuft und läuft, ohne auch nur einmal innezuhalten, sich zu überlegen, was er macht, ob er es gut macht, es besser oder anders machen könnte? Es könnten durchaus Zweifel aufkommen. Machen wir nicht automatisch Dinge, die – mit Abstand betrachtet – überhaupt nicht wichtig sind, auf die wir durchaus zwischendurch mal verzichten könnten?

Eine Auszeit nehmen könnte nicht nur helfen neue Kräfte zu sammeln, sondern auch neue Einsichten zu gewinnen. Es gehört nicht einmal Wagemut dazu. Es ist auf jeden Fall einen Versuch wert.