Donnerstag, 8. Oktober 2009

Wenn weniger mehr ist.

Stellen Sie sich einmal vor, plötzlich sind Sie von der Stromversorgung abgeschnitten und der Akku Ihres Laptops ist leer. Zwar könnten Sie mit Ihrem Mobiltelefon im Internet surfen .... nur das Netz ist zu schwach. Plötzlich stehen Sie vollkommen abgenabelt von der Außenwelt vor dem Nichts. Sie fühlen unverhofft eine große Leere. Dies ist keine Utopie, nichts Unmögliches. Dies ist zwar noch nicht der Weltuntergang. Die Erde wird sich auch so weiter drehen. Aber plötzlich fühlen Sie, wie abhängig Sie inzwischen von den Möglichkeiten der Kommunikation geworden sind.

Dass Sie vielleicht einmal nicht wissen, was gerade in den Zentren der Welt passiert, das können Sie noch ertragen. Dass Sie aber in unruhigen Zeiten nicht die aktuellen Daten von den Börsenplätzen der Welt erhalten, keine Transaktionen mit Ihrer Bank abwickeln können, keine Emails senden bzw. erhalten können ... das geht schon an die Substanz. Oder möchten Sie heute noch umständlich eine Überweisung mit der Hand ausfüllen und persönlich zu Ihrer Bank bringen wollen?

Was aber wäre, wenn ....? So utopisch es sein mag, es gibt uns die Möglichkeit einmal darüber nachzudenken, ob alles das, was wir täglich nutzen, wirklich ein Gewinn für uns bedeutet.

Vieles wird durch die heutigen Möglichkeiten erleichtert, beschleunigt. Dadurch wird viel Zeit gewonnen. Aber andererseits fordern gerade diese „neuen“ Medien zusätzlich sehr viel Zeit. Nicht ausgeschlossen, dass die Produktivitätsbilanz mit roten Zahlen abschließt. Und das nicht nur, weil es gerade mal wieder ein Problem mit der Internetverbindung gibt oder Windows ein gravierendes Problem festgestellt hat und das Programm schließen musste. Datenverlust nicht ausgeschlossen.

Haben wir früher so häufig Nachrichten verfolgt, Wetterprognosen aufgerufen, in Wikipedia oder Google nach Dingen geforscht? Haben wir ständig Nachrichten über unser augenblickliches Tun ins Netz gestellt? Überhaupt: haben wir so viel Müll produziert, wie es heute geschieht? Diese Fragen stellt sich auch der Schreiber dieser Zeilen. Muss das überhaupt sein? Ehrlich gesagt: NEIN. ABER: diese Zeilen sollen auch dazu anregen, einmal kritisch Abstand vom eigenen Tun zu nehmen. Und es soll nicht heißen: zurück zum Anfang. Nein, denn das Internet bietet schneller als je zuvor Daten und Informationen, an die man früher zumindest nicht so schnell herankommen konnte.

Dennoch, die Fragen seien erlaubt. Womit beschäftigen wir uns überhaupt? Hat es irgendeinen Nutzen? Hilft es jemand? Könnten wir in der Zeit nicht Sinnvolleres erledigen? Gewähren wir den Medien möglicherweise viel zu viel Aufmerksamkeit? Sind wir nicht zu Gefangenen unserer selbst geworden?

Verschanzen wir uns hinter dem Bildschirm auf Kosten der persönlichen Kontakte? Leidet darunter die Kommunikation mit unseren Nächsten und mit unseren Mitarbeitern? Eine Beziehung per sms beenden oder eine Kündigung per Email versenden zeugt eher von einer persönlichen Schwäche und hat bestimmt nichts mit dem Streben nach besonders viel Effizienz zu tun.

Allerdings gibt die jüngste Online-Studie von ARD und ZDF auch Hoffnung. Vielleicht
handelt es sich ja doch nur um eine Minderheit, die Stunde um Stunde vor dem Bildschirm sitzt und zahllose Netzwerke pflegt, von Portal zu Portal springt, twittert und blogt, „instant“ Botschaften empfängt und versendet. Also doch zu viel Lärm um nichts? Wie auch immer: ein bisschen Abstand zu sich selbst kann niemals schaden, privat wie beruflich.