Freitag, 15. Januar 2010

„Sie kommen zurecht?“ - Käufererlebnisse

Kürzlich in der Filiale eines bundesweit agierenden Textilkaufhauses, das durchaus über gut geschultes Verkaufspersonal verfügt. Aber es gibt Ausnahmen. Es war nach 18 Uhr. Die recht große Abteilung für Herrenartikel war zu diesem Zeitpunkt immerhin von einem Kunden bevölkert. Begrüßt wurde man umgehend kurz aber freundlich. Dann verschwand der Mitarbeiter zunächst, um jedoch bald wiederzukommen, als man sich bereits über die ersten Warenauslagen beugte.

„Sie kommen zurecht?“ war der kurze Einstieg in ein Beratungsgespräch, das in Folge den Namen nicht verdiente. Man sagte, was man suche, machte auf Besonderheiten aufmerksam. Der Verkäufer verwies auf Ware hier wie dort ... und war dann mit dem anderen Kunden, der bereits in der Umkleidekabine anprobiert hatte, beschäftigt. Soweit, so gut. Aber der Verkäufer kam nicht wieder, sondern beschäftigte sich mit seiner Kollegin an einem Bildschirm, diskutierte Betriebsinterna, sortierte, räumte auf, ignorierte beide Kunden. Der erste Kunde verlies mittlerweile die Abteilung ohne einen Einkauf, man selbst suchte noch, inzwischen schon weniger motiviert, überhaupt etwas zu kaufen. Dabei hätte man in aller Ruhe alle Ware hin und her bewegen können, ungestört vom Personal. So aber machte man sich auch auf den Weg .... hinaus. Ohne Einkäufe. An einem anderen Ort vielleicht besser?

Selbe Stadt, wenig später, in einem benachbarten Elektrokaufhaus, ebenfalls ein bundesweit anzutreffender Filialist. Haushaltswarenabteilung. Außer zwei Verkäuferinnen und einer gelangweilten Kassiererin niemand. Großes Angebot, zu viel, um sich ohne weitere Vorkenntnis schnell entscheiden zu wollen. Man wird angesprochen, nach den Wünschen befragt. Die Verkäuferin hört zu, macht Vorschläge, verweist auf weitere Ware, die sie gerne holen würde. Unaufdringlich engagiert, an der Sache bleibend. Der Erfolg gab ihr recht. Wäre man „zurecht gekommen“, ein Kauf hätte vermutlich nicht stattgefunden. Man hätte sich zuhause bei den bekannten Online-Anbietern informiert und vielleicht auch dort nicht zum ersten Male bestellt. So unterschiedlich kann es gehen.

Weitere Beispiele gefällig?

Nach dem Wegfall der Abwrackprämie soll es in den Autohäusern deutlich ruhiger geworden sein, für das laufende Jahr soll es sogar düster aussehen. Gute Zeiten also für Käufer. Schlechte Zeiten für Verkäufer. Oder gute Zeiten für besonders gute Verkäufer? Sollte man sich dann nicht besondere Mühe geben?

Ein Autohaus. Glasfassade. Gut unterhalten in einer Stadt, die nicht zu den armen in der Republik gehört. Alles wirkt wie geleckt, nicht nur die Fahrzeuge in der Ausstellungshalle.
Der potentielle Kunde betritt das Autohaus. Es dauert einen Augenblick, bis er bemerkt wird. Ihm schwebt ein bestimmtes Fahrzeug vor. Ja, das sei vorrätig, stehe dort mitten drin. Das war es dann erst einmal. Der Kunde schaut sich das Fahrzeug in Ruhe an. Vom Verkäufer – Berater ist in der Zeit nichts zu sehen. Gut, muss ja nicht sein. Zurück zum Empfang, wo der Mitarbeiter gerade herzhaft in ein reichlich belegtes Brötchen beißt, das er deswegen auch mit beiden Händen zum Munde führen muss (oder umgekehrt). Nicht unbedingt ein schöner Anblick und ungeeignet, um nun auf die Fragen des Kunden zu antworten. Verkauft man so Fahrzeuge?

Ein weiteres Autohaus in einer kleineren Stadt. Inhabergeführt. Man merkt sehr bald, der Mann hat Benzin im Blut, verkauft mit Überzeugung auch nicht mehr zeitgemäße Fahrzeuge mit großem Hubraum und noch mehr Durst. 20-Liter-Autos sind eben Spaßautos. Und der Flug nach Mallorca geht auch nicht unter 5 Litern. Dennoch: sehr freundlich, kompetent, hilfsbereit, ambitioniert, jedoch nicht aufdringlich. Ob er mehr Erfolg hat als sein Kollege in der großen Nachbarstadt? Man sollte es ihm wünschen.

Ein Beleuchtungs-Fachgeschäft. Mittelgroße Stadt. Innenstadt-Randlage, deshalb ohne Laufkundschaft. Wer hier her kommt, der muss das Geschäft kennen. Also darf man von einem derart spezialisierten Anbieter einige Fachkunde erwarten dürfen, auch oder gerade von den anwesenden Verkäufern. Der Kunde wird augenblicklich wahrgenommen, freundlich zurückhaltend begrüßt, nach seinen Wünschen befragt. Er möchte sich über energiesparende Beleuchtungsformen informieren. Das aber scheint die Beraterin zu überfordern. Ja, das gäbe es, so die zurückhaltende Reaktion, aber das sei alles noch so neu. Man habe in einigen Katalogen Beispiele. Diese werden denn auch gesucht und nach einigem Blättern gefunden. Das war es dann aber auch schon. Es sei vielleicht besser, den Inhaber zu fragen, der wüsste mehr darüber. Andererseits, man solle sich überlegen, ob sich das alles lohne. Es gäbe doch so viele andere Formen der Beleuchtung, die überdies viel preiswerter seien. Das ging noch eine Weile so, war aber alles andere als überzeugend und zielführend. Schließlich bedankt sich der Kunde und verlässt mehr oder weniger enttäuscht den Laden. Fazit: Für ein Fachgeschäft in einer Randlage sollte das Personal (und nicht nur der Chef) kompetent sein. Freundlichkeit alleine ist nicht überzeugend.

Derartige Beispiele gibt es zuhauf. Der Leser wird sich erinnern, dass auch ihm schon öfters Gleiches passierte. Warum nur hat man immer noch nicht erkannt, dass es am Verkäufer liegt, ob man Erfolg hat oder nicht? Wie viele Käufe wären getätigt worden, hätten es die Verkäufer verstanden, den Kunden professionell zu behandeln?

Manchmal wünsche ich mir den Tante Emma-Laden um die Ecke zurück. Das Angebot war nicht unbedingt für den Kunden übersichtlich und verlockend nach neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen platziert. Und mit dem Preisniveau der Discounter kann oder konnte man auch nicht mithalten. Aber der/die Inhaber/-in machte das mehr als wett mit Kenntnis und persönlicher Hingabe. „Darf es etwas mehr sein?“ Warum nicht?