Freitag, 10. Juli 2009

Führungsnachwuchs – Begleitung tut not.

Nicht nur die aktuelle Situation an den Märkten hat eine Diskussion zurück in die Schlagzeilen gebracht, die bereits seit vielen Jahren schwelt: Die Ausbildung unseres Managementnachwuchses.

Wurde früher an den Universitäten sehr theoretisch orientiert unterrichtet, erhielt die Ausbildung mehr und mehr Praxisbezug. Mit Fallstudien wollte man den Nachwuchs mit der Wirklichkeit vertraut machen.

Durch die Möglichkeiten der Informationstechnologie setzte sich aber gleichzeitig auch mehr und mehr das Arbeiten mit und das Denken in Modellen durch. Es wurde in Ressourcen gedacht und vor allem gerechnet. Optimierung wurde zum Zauberwort. Langfristig im Wettbewerb bestehen kann man ohnehin nur durch den bestmöglichen Einsatz der vorhandenen Mittel. Dabei geriet allerdings der Blick auf das große Ganze zunächst zugunsten des Details in den Hintergrund. In den Modellen kam der Mensch als ein Faktor von vielen vor. Humankapital, „human resources“ wurden gebräuchliche Begriffe, die aber auch für viele Missverständnisse sorgten.

Bei aller Optimierung und tiefgreifender Analyse kam die Ausbildung der Persönlichkeit des Nachwuchses zu kurz. Über Ethik im Geschäftsleben diskutierte allenfalls ein für Außenstehende exotisch-esoterisch angehauchter Kreis weniger Interessierter, nicht immer von den Kommilitonen für voll genommen. Die Studenten zur Selbstreflexion anzuregen, mehr Nachdenklichkeit zu üben, das vergaß man beflissentlich. Sozialkompetenz, weiche Faktoren wurden in die Nebenfächer abgeschoben. Die im Rahmen des Bologna-Prozesses erfolgte Umstellung auf Bachelor- und Master-Studiengänge erlaubten (und erlauben) in ihrer stark reglementierten Form nicht, sich schon einmal auf spätere Führungsaufgaben gedanklich vorzubereiten, ganz unter dem Motto „Man hat es, oder man hat es eben nicht.“
Praktische Erfahrung sammeln kann da vorher nur derjenige, der bei den Streitkräften die Ausbildung zum Offizier durchlaufen hat.

Josef Ackermann bemerkte kürzlich zurecht, dass über Modellwelten und Mathematik leicht der Bezug zur Realität verloren geht (Frankfurter Allgemeine vom 30. Juni 2009). Wichtig sei, eine Situation gesamtwirtschaftlich zu beurteilen, die politische, soziale und kulturelle Dimension nicht zu vergessen.

Dies alles wäre kein Problem, wenn man dem Nachwuchs die Zeit in den Unternehmen geben würde, ihre Persönlichkeit gezielt zu entwickeln. Was also an den Universitäten vernachlässigt wird, könnte man gut mit fachkundiger erfahrener Begleitung in den Folgejahren in der Praxis nachholen. Das aber scheitert daran, dass längst nicht jede erfahrene Führungskraft bereit ist, die zeitraubende Funktion eines Mentors quasi im „Nebenberuf“ zu übernehmen. Darüber hinaus verfügt längst nicht jeder Manager über die erforderlichen Charaktereigenschaften sowie die notwendigen didaktischen Fähigkeiten. Auch bei den bereits in Verantwortung stehenden Führungskräften sind auf dem Gebiet der Persönlichkeit nicht selten Defizite festzustellen.

Die Folgen sehen wir tagtäglich in der Unternehmenspraxis: schlechte Kommunikation, demotivierende Aktionen, vernachlässigte Förderung von Mitarbeitern, mangelhafte Ausnutzung von im Unternehmen vorhandenen Wissens, Reibungsverluste, überhöhter Krankenstand, Fluktuation kompetenter Mitarbeiter .... um nur einige wenige Beispiele zu nennen.

Große Unternehmen verfügen im allgemeinen über mehr Möglichkeiten der gezielten Förderung von vielversprechenden Kräften. Allerdings geht mit der Größe eines Unternehmens auch eine gewisse Anonymisierung einher. Es fehlt nicht selten an echten Vorbildern, die mit Leib und Seele und mit beiden Füßen im Geschäft (und im Risiko) stehen.

Was ist zu tun? Natürlich sind die Hochschulen gefordert, anschließend aber auch die Unternehmen. Führungseigenschaften werden nur selten in die Wiege gelegt. Aber man kann sie erwerben, sich hart erarbeiten, wenn auch nicht an einem Tag. Führungspersönlichkeit wird man nun mal im täglichen Einsatz und in der Auseinandersetzung mit Kollegen und Mitarbeitern. Kontrollierte Reibung muss sein, um zu wachsen.

Wie kann die Personalentwicklung gewährleisten, dass ein Nachfolger für eine ausscheidende Führungskraft rechtzeitig bereit steht? Die Erfahrung zeigt, dass dies in den seltensten Fällen gesichert ist. Der Ersatz durch einen externen Nachfolger ist mit Risiken verbunden: verfügbar zur rechten Zeit mit den erforderlichen Kompetenzen und Erfahrungen, persönlich zum Unternehmen passend. Dieser Weg ist nicht nur risikoreich, sondern auch teuer.

Alternativ können große Unternehmen aus einem Pool von potentiellen Führungskräften schöpfen. Dies bleibt kleineren und mittelständischen Unternehmen so gut wie verwehrt. Problematisch ist aber auch, dass Führungsnachwuchskräfte auf Lager ihren Preis haben. Und die Haltbarkeitsdauer ist begrenzt. Eine viel versprechende Kraft wird nicht endlos auf ihren Einsatz warten wollen.

Bleibt ein Schnelldurchlauf, den eine Nachwuchskraft absolviert, aufbauend auf bereits zuvor bestätigten Eigenschaften und Kompetenzen. Weiterhin besteht die Möglichkeit, dieser Kraft einen Personalentwickler, einen Coach oder Mentor zur Seite zu stellen, der sie/ihn in den ersten Monaten intensiv begleitet und regelmäßig für rückkoppelnde Gespräche zur Verfügung steht.

Das setzt voraus, dass dieser Begleiter Führungserfahrung und –kompetenzen hat und darüber hinaus zeitlich dazu in der Lage ist, eine Nachwuchskraft gezielt und ernsthaft zu unterstützen. Je nach Unternehmensgröße kann das eine interne, aber auch eine externe Kraft bewerkstelligen. Ich glaube, eine derartige Investition lohnt sich allemal.